Die Botschaft des Ostermorgens

Begegnung mit dem Auferstandenen

Was hat sich eigentlich mit dem Ostermorgen verändert? – „Alles“, sagen die einen, „gar nichts“, die anderen. Kürzlich wurde ich gefragt, warum Jesus, wenn er wirklich von den Toten auferstanden ist, sich nicht sogleich den Pharisäern gezeigt und damit alle Zweifel aus dem Weg geräumt hätte. Und in der Tat bieten auch die Berichte der Evangelien von den Ereignissen am Ostermorgen ein nicht unbedingt selbsterklärendes Bild. Das Markus-Evangelium endet zunächst sogar mit der Bemerkung: „Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich“ (Mk 16,8). Ebenso berichtet uns Lukas, wie die Emmaus-Jünger einen ganzen Nachmittag mit dem Auferstandenen unterwegs sind, sich mit ihm unterhalten, ihn dabei aber nicht erkennen. Maria Magdalena begegnet Jesus bereits am frühen Ostermorgen, erkennt ihn zunächst aber ebenfalls nicht, sondern meint stattdessen den Gärtner vor sich zu haben. Am See von Tiberias ist es erst der „Jünger, den Jesus liebte“, der die anderen beim Fischfang darauf aufmerksam machen muss, dass es sich bei dem Mann am Ufer um „den Herrn“ handelt. – Ist es nicht seltsam, dass das wichtigste Fest der Christenheit eine solche Ambivalenz in seiner Wahrnehmung hinterlässt? – Oder liegt unser Unbehagen mit diesem Mangel an Klarheit vielleicht daran, dass wir an das, was von Jesu Auferstehung wahrgenommen und bezeugt werden kann, mit einer falschen Erwartungshaltung herangehen?

Wenn Jesu Auferstehung für alle sofort ersichtlich in Raum und Zeit erfolgt wäre, würde sie sich dann von jenen Totenerweckungen unterscheiden, von denen uns sowohl das Alte als auch das Neue Testament an anderen Stellen berichten? – Jesus wurde aber nicht nur von den Toten auferweckt und in dieses irdische Leben zurückgeholt, um anschließend eines Tages wiederum zu sterben, sondern er ist von den Toten auferstanden, um nicht wieder zu sterben, sondern dem Tod ein für alle Mal seinen Schrecken zu nehmen. Er kam nicht zurück in die uns bekannten Dimensionen von Raum und Zeit, sondern ging ein in das Reich seines Vaters und des Geistes. Das Erstaunliche ist also eigentlich nicht, dass er nur manchen erschien und auch von diesen nicht immer gleich erkannt wurde, sondern dass er in unserer raum-zeitlichen Welt überhaupt erschien. Und auch das setzte offensichtlich noch eine gewisse Bereitschaft voraus, sich dafür zu öffnen.

Die Auferstehung ändert alles

Aber für diejenigen, die es sehen wollten, hat Jesus mit seiner Auferstehung das Universum auf eine neue Stufe gehoben: Leben und Tod sind nun keine Zustände mehr, die durch die Vitalfunktionen unserer Organe, sondern durch unsere Verbundenheit mit ihm definiert werden: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25), ist eine Aussage des Herrn, die sich auf das Jetzt, die Gegenwart, nicht erst auf eine ferne Zeit in der Zukunft bezieht. Mit der Auferstehung des Herrn ist klar geworden, was es eigentlich heißt zu leben und was es heißt, tot zu sein: Leben heißt Sein beim Herrn, tot sein heißt Getrennt-Sein von ihm (Gal 2,20). Und diese neue, ungeheuerliche Wahrheit gilt für unser Leben ohne Unterschied vor und nach unserem leiblichen Tod.

Was in den drei Tagen von Karfreitag bis Ostersonntag geschah, kann durch keine vernünftige Logik verständlich und erklärbar gemacht werden. Nur der Glaube an Gottes grenzenlose Liebe kann erklären, dass derjenige, der das Leben selbst ist, den Tod auf sich genommen hat. Welch unfassbares Paradox der göttlichen Liebe! Gott ist in die tiefste Abwesenheit seiner selbst eingegangen, um auch den letzten Sünder zu sich zurückzuholen. Durch diese unbegreifbare Liebe verwandeln sich sogar die Nägel und der Speer, mit denen unsere Sünden den Herrn durchbohrt haben und bis heute immer wieder durchbohren, zu Schlüsseln in das Paradies. „O wahrhaft glückselige Schuld“, heißt es in dem einleitenden Lobpreis, dem Exultet der Osternacht.

Was ist also die Botschaft des Ostermorgens aus Sicht derjenigen, für die sich mit ihm alles geändert hat? – Es gibt keine Sünde, keine Ungerechtigkeit, kein Unheil, keine Not, keine Krankheit, und auch keinen Tod, den Gott nicht in seinen umfassenden Heilsplan einzuweben und zum Guten umzuwandeln verstünde. Wir müssen es nur zulassen, ihm die Regie in unserem Leben anzuvertrauen, auch und vor allem dann, wenn es uns so dunkel und trostlos vorkommt, dass wir selbst uns nicht mehr vorstellen können, dass etwas Gutes daraus entstehen mag.

Und was ist die Botschaft des Ostermorgens in Bezug auf diejenigen, für die sich an ihm nichts geändert hat? – Wer sich mit dem Kreuzzeichen bezeichnet, glaubt, dass es keinen Ort mehr gibt, den der Herr nicht erleuchten kann. Er weiß aber auch, dass der gekreuzigte und auferstandene Herr ihn gebrauchen möchte,um dieses Licht zu den Menschen zu tragen. Jeder Mensch ist in dieser Welt so etwas wie eine Öffnung, durch die der Herr seine unbedingte Liebe Gestalt werden lassen möchte. Im Bild eines großen Theologen gesprochen: Christi Liebe ist wie das Wasser, das in einen völlig ausgetrockneten Boden eindringen und so neues Leben ermöglichen will. Der trockene Boden ist unsere Welt. Und jeder Mensch ist in diesem Boden eine Pore, die sich für das Wasser öffnen oder sich ihm verschließen kann. Je mehr Poren sich öffnen, desto mehr kann das Wasser in diesem Boden wirken, was es immer schon wirken will: Die gekreuzigte Liebe kann jede Sinnlosigkeit unterfassen, verwandeln, verklären, besiegen. Aber sie kann dies nur, wenn sich möglichst viele Poren möglichst weit öffnen.